MENSAMMELSURIUM
Kunst am Bau für die 14. Integrierte Sekundarschule Berlin
Wartiner Str. 1-3 / 13057 Berlin
Birgit Schuh: Künstlerische Konzeption
MENSAMMELSURIUM besteht aus 261 farbintensiven Betonplatten, die auf rund hundert Quadratmetern wie Pixel durchmischt sind und einen markanten Farbteppich für den Mensafreisitz bilden. Diese Fläche erstreckt sich bis an die bodentiefe Verglasung der Mensa, so dass sich das farbige Spiegelbild nahtlos fortsetzt und die Gestaltung in den Innenraum hineinzuwachsen scheint.
Die verwendeten Farben Blau, Grün, Rot, Hellblau, Ultramarin, Gelb, Braun, Orange, Beigerot sowie Weiß und Schwarz finden sich – mit Abweichungen in den Farbnuancen – in den rund 200 Nationalflaggen der weltweiten Staaten wieder. Der rechteckige Farbteppich greift die Form einer Fahne auf, möchte jedoch darüber hinaus zu weiteren Assoziationsfeldern einladen.
Das Farben-Sammelsurium im Mensabereich lässt beispielsweise auch an einen bunten Obstteller oder Gemüsekorb mit Früchten von allen Kontinenten denken. Nicht zuletzt ist gemeinsames Essen ein kultureller Akt. Es verbindet die SchülerInnen, erzeugt Austausch und Miteinander, erfordert Offenheit und Toleranz für verschiedene (Ess-)Gewohnheiten und (Ess-)Kulturen.
Mit den Quadratpixeln werden klassische Flaggengestaltungen wie Streifen, Balken oder Symbole bewusst in eine „neutrale Form“ transformiert, die im Nebeneinander immer neue Farbnachbarschaften bilden kann. Das Plattenmaß der quadratischen Farbflächen lässt sich in das Raster der bestehenden Pflasterung integrieren und greift die rechteckige Grundstruktur von Architektur und Außenraum auf.
Die zurückhaltend homogene Farbgestaltung von Freianlagen und Gebäude bildet ein ruhiges Umfeld für die Farbexplosion vor der Mensa, die aufgrund der großzügigen Verglasung auch aus dem Innenraum erlebbar ist. Vermittelnde Farben wie Braun, Beigerot, Orange und Gelb integrieren die Bodenarbeit in die umgebende Architektur.
Der Farbteppich setzt sich in der Vertikalen auf drei Fahnen fort: die Fahnenmasten vor dem Mensafreisitz werden ebenfalls mit einem Farb-Sammelsurium bespielt und sind bereits von Weitem außerhalb des Schulgeländes sichtbar. Mit den Farbschwerpunkten auf Gelb, Blau bzw. Rot werden die drei Grundfarben, aus denen sich alle anderen Farben mischen lassen, betont.
Am 22. Mai 2024 hatte ich als Künstlerin die Möglichkeit mit Schülerinnen und Schülern in der Klasse 7b von Herr Gharib einen Workshop durchzuführen, um ihnen das Kunst-am-Bau-Vorhaben vorzustellen und mit ihnen zu diskutieren.
Nach einer kurzen Vorstellung der Visualisierung von MENSAMMELSURIUM sammeln wir zunächst, welche Herkunftsländer in der Klasse vertreten und welche Farben in den entsprechenden Nationalflaggen enthalten sind:
Rot, Weiß, Blau / Hellblau, Orange, Schwarz, Gold (Gelb), Grün
Die erste Auswertung der SchülerInnen ergibt:
„Unsere Sammlung aus der Klasse beinhaltet bereits fast alle Farben des künstlerischen Entwurfs.“ und
„Alle Nationalitäten (an unserer Schule) können eine Einheit bilden.“
Worin unterscheiden sich die rund 200 Nationalflaggen der weltweiten Staaten daher noch?
Wir betrachten die Farbanordnung von Flaggen und zeichnen beispielhaft einige Strukturen schematisch an der Tafel auf.
Ob Querstreifen, senkrechte Farbbalken, gezackte Flächen, Dreiecke, Kreise, Symbole – allen Flaggen ist gemeinsam, dass sie einfache Formen und wenige Farben verwenden, deren Anordnung sehr einprägsam ist. Sie haben somit einen hohen Wiedererkennungs- und Reproduktionswert.
Hier erkennen wir einen ersten großen Unterschied zwischen den bekannten Flaggen und MENSAMMELSURIUM: die pixelige Fläche des künstlerischen Entwurfs ist sehr kleinteilig und komplex. Sie unterliegt zwar einem Raster, aber beinhaltet auch eine gewisse Unordnung. Die quadratischen Farbplatten lassen sich beliebig aneinanderreihen. Es ist nicht möglich, mit einem Blick die Farbanordnung zu erfassen oder ein System zu erkennen. Der künstlerische Entwurf verweigert somit auf gewisse Weise genau das, was eine Flagge ausmacht.
Manche in der Klasse empfinden dies als chaotisch und unharmonisch. Sie vermissen eine Symmetrie in dem Durcheinander.
Aber letztlich wird auch klar, dass gerade dieses Durcheinander Vielfalt und Einzigartigkeit bedeutet. Die Betrachtung ist nicht mit einem Blick erschöpft; immer wieder können neue Farbnachbarschaften entdeckt und Assoziationen geweckt werden. Es wird nicht eine Nation oder eine Botschaft repräsentiert, sondern Vielfalt.
Eine weitere Betrachtung gilt nun dem besonderen Ort: dem Mensafreisitz.
Warum ist die künstlerische Intervention gerade hier platziert, was haben die Farben von MENSAMMELSURIUM mit Essen zu tun?
Wir greifen auf unsere erstellte Farbsammlung aus den Flaggen der Klassengemeinschaft zurück und suchen passende Beispiele für entsprechende Nahrungsmittel: Rot/Tomaten+Ketchup, Weiß/Eier, Blau/Blaubeeren, Orange/Orangen, Schwarz/Brombeeren+schwarze Oliven, Gold+Gelb/Käse+Bananen+Spätzle, Grün/Bohnen.
Farben, Muster und Strukturen finden wir auf vielfältige Weise im (Schul-)Alltag, beispielsweise bei Kleidung, Mobiliar, Taschen und vielem mehr. Weitere Bezüge und Assoziationen zu MENSAMMELSURIUM sind daher nicht nur möglich sondern auch erwünscht.